Ich gehe unheimlich gerne Feiern. Ich liebe alles daran, die laute Musik, der Kontakt zu den Menschen, das Tanzen, das Nachtleben, Frauenklos und das Aufstylen vorher. Wenn ich Samstag feiern gehe, plane ich meistens Freitag schon was ich anziehe. Und Samstag auf Arbeit überlege ich mir einen Make Up Look. Und dann zelebriere ich das Fertigmachen. Mit Partymusik und YouTube Tutorials.
Und wenn ich dann losgehe und mich mit den Bekannten auf dem Weg treffe, dann steigt die Vorfreude nochmal. Ich bin noch nie von den Türstehern abgelehnt worden. Kann ich mir auch nicht vorstellen, dass das passiert, denn meine Outfits sind schon sehr schick und überlegt. Beim Türsteher also reingekommen, die Menschen an der Garderobe mit einem Lächeln begrüßt, Eintritt bezahlt und rein da.
Handy und Geld habe ich übrigens immer in meinen Overknees, Kleingeld im Ausschnitt. Da ich immer Röcke trage, habe ich keine Hosentaschen. Voll dumm eigentlich, könnte ich mich immer wieder drüber aufregen. Egal, los geht’s zur Bar. Das erste Getränk der Nacht will bestellt werden. Womit steige ich heute ein? Meistens muss ich mein Geld zusammenhalten, heute ist so ein Tag, ich nehme mal lieber eine Goldkrone.
So, Getränk wird geleert, noch ein bisschen Geplänkel mit den Anderen die auch da sind, dann geht es ab auf die Tanzfläche. Die Leute sind gut drauf, ich schaue mich um, schaue mir die Leute an. Bei all the single Ladys wird extra laut gegrölt, jetzt wo es so weit ist. Ein weiterer Drink bringt mich zur viel zu engen Frauentoilette, wo der neuste Klatsch besprochen wird. „Wer auch immer diese Toiletten konzipiert hat, muss Frauen gehasst haben.“ kommentiere ich und quetsche mich am Waschbecken vorbei in eine der Kabinen. Zustimmendes Gelächter.
Im Spiegel wird noch einmal alles gerichtet, Pony, Make Up und dann geht es weiter. Der Bekannte ist immer schlechter Einfluss, Partyraucher. Sorry Mama und Papa. Hoffentlich lest ihr das nicht. Im Raucherbereich werden dann nochmal die Leute abgecheckt. Ein Typ sitzt an der Bar, sieht nett aus, ich frage ihn nach Feuer. Er hat keins, weil er so eine E-Zigarette raucht. Ich bin neugierig, frage nach, er erklärt mir wie das funktioniert. Anschließend bekommt er drei Shots hingestellt, einen schiebt er zu mir. Wir stoßen an, ich bedanke mich, er geht weg.
An der Stelle ein wichtiger Einwurf. Ich habe gesehen wie der Barkeeper die Shots gefüllt und hingestellt hat. Liebe Mädels, niemals, wirklich niemals(!) Getränke von Fremden annehmen, wenn ihr nicht gesehen habt, wie die gemacht wurden. KO Tropfen sind scheiße gefährlich. Und wenn ihr euch komisch fühlt im Club, geht direkt zu euren Freunden oder zur Security. So schnell es geht.
Jedenfalls bleibe ich sitzen. Verarbeite noch die Erkenntnis. Männer erklären dir gerne die Welt. Voll bescheuert. Aber gut. Plötzlich kommt mein Bekannter wieder, meint, er geht ne‘ Packung Kippen kaufen und ich solle ihm schonmal was zu trinken bestellen. Kurz darauf sitze ich also mit zwei Getränken und zwei Shots da.
Ein weiterer Typ nähert sich. „Das trinkst du doch aber nicht alles alleine.“ „Ne.“ lache ich. „Das ist für einen Kumpel.“ In meiner alkoholgetränkten Euphorie setze ich ein „Aber ich könnte!“ hinter her. Der Typ lacht. Ich denke, der ist Humortechnisch auf einer Wellenlänge und sage „Naja, bin Studentin und Arm und kann‘s mir nicht leisten.“ Er erwidert „Da musst du meinen Kumpel hier fragen, der lädt dich bestimmt ein.“ Blöde Antwort, was soll ich jetzt mit dem Kumpel, wenn ich mich doch mit dir unterhalte? Aber ich ahne schon, worauf das hinausläuft. „Ne, ich lasse mich nicht haushalten.“ lehne ich ab. Denke, damit hat es sich und der Typ checkt, dass bei mir nichts zu holen ist. Wie sehr ich mich irren sollte.
Denn er schaut mich weiter an und sagt „Ach naja, bei dem Anblick lässt der bestimmt was springen, besonders wenn du ihn mal anfassen lässt.“ Dann wandert sein Blick zu meinen Brüsten. Im Nachhinein hätte ich so viel gerne getan und gesagt. Sein Gesicht nehmen und auf die Theke knallen zum Beispiel. Ihm in die Eier schlagen. Ihm ins Gesicht spucken. Ihm sagen, dass er ein Arschloch ist. Ihm sagen, dass das nicht okay ist. Aber ich mache nichts, weil ich so perplex bin und der Typ sich schon wegdreht und geht. Arschloch.
Etwas später und den Shot und das Getränk weiter bin ich wieder auf der Tanzfläche. Neben mir ein Typ und der tanzt mich an. Ich bin gut drauf, gehe drauf ein, lasse mir mein Selbstbewusstsein pushen, weil ich die Einzige von den Leuten um mich herum bin, die angetanzt wird, genieße die Freiheit, mit jedem Menschen der Welt tanzen zu können, mit dem ich wollte.
Und dann wird der Kerl touchy. Rutscht mit seinen Händen an meine Hüfte, will zu meinem Po und meinen Brüsten, ich korrigiere ihn. Drei mal. Dann ist es mir genug und ich schiebe ihn wieder weg von mir. Kein Bock jetzt auf sowas. Er missversteht die Geste deutlich und fragt mich, ob er mich küssen darf. Ich meine, immerhin hat er gefragt? Nein man, das ist das Bare Minimum. Ich weiß nicht so genau, wie ich damit umgehen soll. Wegschubsen kann ich, aber nein sagen? Da bin ich noch zu weiblich sozialisiert. Also sage ich „Ich kenne ja nicht mal deinen Namen.“ Er sagt „Namen sind doch nicht wichtig.“ Ich bin genervt. „Ich finde schon.“ Ich meine, spätestens jetzt sollte man doch merken, dass jeglicher Vibe weg ist. Aber der Typ sagt mir ernsthaft seinen Namen und kommt wieder nah. Und endlich sage ich nein. Er zieht ab. Denn wenn er von mir nicht bekommt was er will, bin ich seine Zeit nicht wert.
Der Rest des Abends verläuft friedlich. Ich habe Spaß und sitze am Ende müde im Uber. Ubahn fahre ich nicht. Zu gefährlich. Wieder zuhause schreiben wir einander, dass wir zuhause sind. Der Abend war schön. Nein wirklich. Trotzdem würde ich gerne die Situationen im Nachhinein mal analysieren.
Warum habe ich also den Kopf von dem Typen nicht auf die Theke geschlagen? Warum habe ich die Frage nicht mit einem klaren Nein beantwortet? Ersteres ist einfach. Ich war perplex. Und als Frau wird dir früh beigebracht, Dinge über sich ergehen zu lassen. Wenn die zehnjährige Emma zu ihrer Lehrerin geht und sagt, der Johannes ärgert sie, dann antwortet die Lehrerin, dass der Johannis sie wohl mögen würde. Und Emma lernt, von Jungs schlecht behandelt werden ist Zeichen von Sympathie und das sie das hinnehmen müsse, wenn sie beliebt werden will.
Eine Frau die laut ist und sich wehrt? Unweiblich. Mädchen sind die ruhigen, die stillen, Jungs die lauten. So sind wir sozialisiert. Warum ich auf das Kussangebot nicht sofort nein gesagt habe, obwohl der Typ mir schon viel zu lange viel zu nah war? Das ist etwas komplizierter. Aber auch hier spielt Sozialisierung eine große Rolle. Mädchen wird ein nein sehr früh abgewöhnt. Vielen Kindern übrigens. „Gib mal dem Opa ein Küsschen Emma.“ „Ich will aber nicht.“ „Nun mach schon Emma.“ Kommt dir das bekannt vor? Ja, weil es viel zu oft passiert.
Ich habe nicht sofort nein gesagt, weil ich mich schuldig gefühlt habe. Ich habe ja schließlich vorher mit ihm getanzt, da kann ich ja nicht plötzlich nein sagen. Außerdem hat er ja höflich gefragt, ich habe keinen Grund jetzt zickig zu sein. Das ist das, was dir als Frau beigebracht wird. Halt die Klappe und mach mit. Du wolltest es doch auch. Du darfst den Typen nicht heiß machen und dann ablehnen, das macht man nicht.
Doch. Doch das macht man. Mädels, ihr schuldet niemanden irgendwas. Und wenn ihr den ganzen Abend mit einem Typen tanzt, dann darf er euch trotzdem nicht anfassen, wenn ihr nicht wollt. Auch nicht, wenn er euch Getränke ausgegeben hat und auch nicht, weil er so nett gefragt hat. Wie gesagt, schön dass er gefragt hat, aber eigentlich sollte man das nicht hervorheben müssen. Das ist das bare fucking minimum.
Denn nur ja heißt ja. Ende der Durchsage.
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